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Pressemitteilung

Vortrag zur klinischen Versorgung auf dem Land

Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum

Wie kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum angesichts von Fachkräftemangel, Bürokratisierung und Zentralisierung gesichert werden?

Dazu erlebte die kleine, aber interessierte Besuchergruppe einen inspirierenden Vortrag von Gabi Bayer, Referentin bei der Gesellschaft für Gesundheits- und Pflegebildung. Die gebürtige Fachpflegekraft war im Landkreis Nürnberger Land aufgewachsen und hatte einige Jahre in einem Krankenhaus der Region gearbeitet, bevor sie in die Beratung wechselte. Als Marktgemeindrätin in Postbauer-Heng kennt sie die Lokalpolitik und konnte als Vertreterin der Grünen im Bezirkstag der Oberpfalz seit 2013 dort schon Akzente zur Verbesserung der Gesundheitssituation setzen.

Großkonzerne als Ende der kommunalen Krankenhäuser?

Wie kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum gesichert werden, wenn immer größere (private) Klinikverbünde entstehen? Leider sind diese Veränderungen bisher politisch gewollt, einschließlich der Konsequenzen, dass die Sozialversicherung indirekt die Aktionäre finanziert! Deshalb ist hier ein Politikwechsel nötig. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang dass im Nürnberger Land die Kooperation des Klinikums Nürnberg mit den Kreiskrankenhäusern bisher eine Übernahme durch private Träger verhindert hat und offenbar erfolgreich läuft.

Hausarztmangel und Ersatzstrategien

Wie kann die Gesundheitsversorgung gesichert werden, wenn der Fachkräftemangel eine Hausarztversorgung in manchen Regionen gefährdet? Hier müssen laut der Referentin die Anreize verändert werden, damit die Lotsenfunktion des Allgemeinarztes erhalten bleibt. Daneben gibt es eine Reihe von Modellprojekten, in denen die Hausärzte durch speziell ausgebildete Arzthelferinnen oder Fachpflegekräfte unterstützt werden. Voraussetzung ist dafür eine gemeinsame Weiterentwicklung des Gesundheitswesens durch alle beteiligten Berufsgruppen auf Augenhöhe.

Runder Tisch Pflege fehlt im Nürnberger Land

Wie kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum gesichert werden, wenn pflegebedürftige Angehörige nicht die Hilfsangebote der Region kennen? Hier machte G. Bayer deutlich, dass dies offenbar gewollt ist, um die Nachfrage der Leistungen zu begrenzen. Auch im Nürnberger Land fehlt ein Runder Tisch Pflege, der ohne großen Aufwand zu installieren wäre.

Wichtig ist bei der Sicherung der Häuslichen Pflege, dass die Betroffenen und Angehörigen ihren Hilfsbedarf anerkennen und zulassen. Ergänzend dazu gibt es Modelle in München, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wo eine Familiengesundheitspflegerin durch vorsorgende Hausbesuche den Bedarf von Hilfsbedürftigen ermitteltund über die vorhandenen Angebote in der Region berät. Ähnlich könnte schon in der Schule die sogenannte "Scool nurse" die Prävention bereits bei den Kindern fördern.

Wahlrecht des Geburtsortes ist in Frage gestellt

Wie kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum gesichert werden, wenn das Wahlrecht des Geburtsortes durch den Hebammenmangel faktisch aufgehoben ist? Selbst hier in Lauf gab es in letzter Zeit Probleme mit der Verfügbarkeit dieser Abteilung am Wochenende. Auch dieses Problem ist Ausdruck eines Interessenskonfliktes, an dem offenbar die Gynäkologen die Sieger sind. Es zeigt damit eine Entwicklung auf, die gegen den Grundtenor der offiziell proklamierten Gesundheitsziele nun eine stationäre vor der ambulanten Versorgung fördert. Hier ist ebenfalls die Politik gefragt, die Rahmenbedingungen zu verändern, damit Eltern nicht noch größere Strecken zu den Geburtskliniken fahren müssen.

Rehabilitation älterer Menschen muss wohnortnah bleiben

Zur Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum gehört das ursprüngliche Ziel, in jedem Landkreis in Bayern eine spezielle Rehabilitationseinrichtung für mehrfach erkrankte Senioren zu haben.

Gerade weil in deisem Fall die familiären Bindungen wichtig sind, dürfen die Fahrtwege nicht zu lange sein. Allerdings sind auch hier trotz einer Erhöhung der Tagessätze bzw. Pauschalen solche Abteilungen nicht kostendeckend zu betreiben und deshalb gefährdet. Ein Lichtblick ist da die neuerdings diskutierte Finanzierung über die Pflegekassen, um den bisherigen Verschiebebahnhof von Kosten und Leistungen zu verhindern. Weiterhin machte G. Bayer deutlich, dass eine verstärkte Vernetzung der Angebote wichtig ist. Schon vor Jahren laufende Modellprojekte einer ambulanten Rehabilitation muehrfach erkrankter Senioren sind bisher an der fehlenden Anschlussfinanzierung gescheitert.

Wer versorgt frühzeitig entlassene Patienten aus dem Krankenhaus?

Hier liegt ein Systemfehler der Sozialgesetzbücher V und XI vor, die die sogenannte "blutige Entlassung" und Drehtüreffekte begünstigen und zu einer Überforderung der betroffenen Familien führen können. Denn aufgrund der Fallpauschalen werden Patienten immer frühzeitiger aus dem Krankenhaus entlassen – auch mit behandlungsbedürftigen Wunden - und die Nachsorge ist manchmal nicht geklärt. Deshalb wurden verschiedene Versorgungsmodelle in der Praxis gestestet. Auch der Expertenstandard Entlassungsmanagment in der Pflege versucht die Vernetzung von der Klinik in den häuslichen Bereich zu verbessern, scheitert aber nicht selten an der begrenzten Zeit. Ein zunehmendes Problem ist die fehlende ambulante pflegerische Versorgung für psychiatrische Patienten, was angesichts der Amokläufe der letzten Zeit deutlich wird. Falsche Sparsamkeit macht hier eine frühzeitige Krisenintervention unmöglich und kostet am Ende viel Geld.

Den Fachkräftemangel in der Pflege angehen

Zu den größten Herausforderungen im Gesundheitsbereich gehört die Gewinnung von Fachkräfte in der Pflege. Denn der Bedarf steigt weiter, aber die Anzahl der Absolventen sinkt wie die der Schüler. Eine Abhilfe gibt es nur durch mehr Wertschätzung für diesen Beruf, eine Entlastung in den Aufgaben, eine höhere Kompetenz und bessere Bezahlung, wie G. Bayer deutlich machte.

Denn unter den zuletzt zugezogenen Migranten sind kaum Pflegkräfte. Es ist also keine nachhaltige Lösung, sie aus anderen Ländern abzuwerben.

Ausbau der ambulanten Gesundheitsversorgung auch Aufgabe der Gemeinden

Nach dem Vortrag kamen die Zuhörer ins gemeinsame Gespräch und die Familiengesundheits-pflegerin Franziska Stadelmann konnte ihre Einschätzung darstellen, dass für eine verbesserte ambulante Betreuung von Pflegebedürftigen monetäre Anreize notwendig sind. Weiterhin forderte sie den Ausbau von Mehrgenerationenhäusern, eine Sozialraumaktivierung und den Ausbau der Landkreisgemeinden als Soziale Kommune.

Abschlussappell gegen Freihandelsabkommen

Schließlich beendete der Moderator und Stellv. ÖDP-Kreisvorsitzende Walter Stadelmann, selbst Diakon und Case Manager, den Abend mit einem Appell: Alle Bürger sind aufgerufen, die anstehenden Freihandelsabkommen TTIP und TISA zu verhindern, damit auf diesem wichtigen Feld nicht noch weitere Einschränkungen der politischen Handlungsfreiheit durch Klagen internationaler Konzerne vorgenommen werden. Vor allem der Investorenschutz und das Klagerecht bei übernationalen Schiedsgerichte kann schon im Vorfeld bürgerorientierte Entwicklungen verhindern, wenn sie den Gewinnerwartungen internationaler Konzerne zuwider laufen. Dazu wies er auf die am 23. April in Hannover stattfindende ein Großdemonstration beim Besuch von Barack Obama hin, wo möglichst viele Bürger ihre Meinung deutlich machen sollten.


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