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Pressemitteilung

Afghanistan - sind wir wirklich hilflos oder können wir was tun?

Was ist zu tun, um das Gefühl der Hilflosigkeit im Hinblick auf die Lage in Afghanistan zu überwinden?

1. Eine saubere Analyse der Entwicklung seit 2001 durchführen.

2. Die Leitlinien der deutsch-europäischen Außenpolitik und der NATO hinterfragen und korrigieren

3. Unsere eigenen Leitlinien im Bundespolitischen Programm samt den Erfahrungen aus der Flüchtlingsarbeit auf diesem Hintergrund betrachten und eventuell anpassen.

4. Die Aufnahme von afghanischen Ortskräften und ihren Familien zu organisieren

 

1. In den letzten Tagen werden in verschiedenen, online verfügbaren Medien erste Analysen durchgeführt. Zwei wertvolle davon seien hier herausgegriffen und zur Diskussion gestellt.

Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, wurde vom Deutschlandfunk zum Afghanistan-Desaster befragt unter der Schlagzeile „Wir wissen seit Jahren nicht mehr, was wir da machen“ (30.08.2021) Er sieht im Fehlen einer klaren Strategie den Hauptgrund für das Scheitern des Westens in Afghanistan. Neben der Terrorismusbekämpfung habe Deutschland die Idee des Nation Building konzipiert. Die sei aber nicht umsetzbar gewesen, sagte Kornblum im Dlf.

Dagegen sieht der Afghanistan-Experten Gilles Dorronsoro im Interview mit der neuen Züricher Zeitung vom 25.08.2021 die Schuld auch im Scheitern der westlichen Aufbaupolitik: «Nicht die Taliban, sondern wir haben den afghanischen Staat zerstört» Der erste Fehler war die Ahnungslosigkeit der meisten Experten von der afghanischen Gesellschaft und der Taliban-Bewegung. Zweitens war die westliche Strategie der Aufstandsbekämpfung schlecht konzipiert, unvollständig und habe sich auf die falschen Leute verlassen. Drittens sei in Afghanistan ein neoliberales Regierungsmodell angewandt worden, das den Staat zugunsten von Unternehmen und NGO geschwächt hat. Der Mangel an Investitionen in zentrale Bereiche wie die Justiz, die Einführung einer Verfassung, die das Parlament zugunsten der Exekutive geschwächt hat, sowie eine weit verbreitete Korruption, in die auch westliche Unternehmen verstrickt waren, hätten die Mehrheit der Bevölkerung sich schließlich von diesem Staat abwenden lassen. Zuletzt sei der Staat so schnell kollabiert, weil Polizei und Militär schlecht oder nicht bezahlt wurden und deshalb einem solchen System keine Zukunft mehr gaben.

 

2. Mehr denn je müssen wir hinterfragen, ob die derzeitigen Leitlinien der NATO geeignet sind, der Welt Frieden zu bringen und ob Deutschland bzw. die EU darin mitwirken sollten. Zwar hat sich die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der USA nach der Abwahl von Donald Trump wieder gebessert, aber die Grundzüge der Außenpolitik wurden nicht in allen Bereichen geändert. Von Libyen bis nach Afghanistan hat sich eine Zone gescheiterter Staaten entwickelt, die nach dem Eingreifen des Westens eher instabiler sind und die Anzahl der Krisenherde deutlich erhöht haben.

Dabei scheint das mangelnde Verständnis für die orientalische Kultur einer der Hauptprobleme zu sein, während auf der anderen Seite die Waffenindustrie und private Söldnerarmeen überall neue Kundschaft finden.

Mehr denn je müssen wir fordern, ohne UN-Mandat keine Staaten anzugreifen bzw. in anderen Staaten zu intervenieren, wenn es keinen Plan gibt, was danach geschehen soll. Die Erfahrung zeigt, dass das was wir in 250 Jahren – mit schweren Rückschlägen- an Demokratie gelernt haben, sich nicht innerhalb von wenigen Jahren oder einer Generation auf andere Kulturkreise übertragen lässt.

Schon gar nicht dort, wo kollektivistische Gesellschaftsmodelle dem entgegenstehen.

 

3. Die ÖDP steht für eine bürgernahe und transparente Demokratie, Fairhandel statt Freihandel, Gemeinwohl und eine ökosoziale Marktwirtschaften anstatt Lobbyismus und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für alle Bürger anstatt Ausbeutung. Auch die Beachtung der Menschenrechte muss Vorrang vor geostrategischen Überlegungen haben. Alle diese Positionen haben mehr denn je ihre Bedeutung, in der Innen- wie in der Außenpolitik. Hätte man nur die Hälfte dieser Punkte in den Mittelpunkt des westlichen Wirkens in Afghanistan gestellt, so wäre die Bilanz vermutlich deutlich besser ausgefallen. Denn wenn die Bürger in einem Staat ihr ausreichendes Auskommen haben und in guten Beziehungen leben, besteht eine gute Basis für Zufriedenheit. Damit bekämpft man effektiv Fluchtursachen.

Ergänzend dazu muss meines Erachtens die weltweite Friedensforschung deutlich mehr gestärkt und in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. Positive Erfahrung gewaltfreier Konflikt-lösung gibt es, nur sind sie zu wenig bekannt, weil leider gerade auch im „Christlichen Abendland“ das Mantra von der problemlösenden Kraft von Kriegen besteht. Kriege aber lösen keine Probleme, sondern schaffen neue: Unsere eigene deutsche Geschichte muss uns Motivation sein, auch in anderen Ländern gegen Traumatisierung von Generationen, gegen Zerstörung von Familienverbänden und kulturellem Erbe einzuschreiten. Hier stehen uns mächtige Lobbyverbände entgegen, nicht nur in den USA. Das entscheidende Mittel ist dabei der Kampf gegen die Korruption und den versteckten Lobbyismus mit Hilfe der ÖDP und anderer Partner. Und die ÖDP fordert zur recht das Verbot von Rüstungsexporten außerhalb der EU.

 

4. Die Aufnahme von afghanischen Ortskräften und ihren Familien will gut organisiert sein.

Wenn das gut vorbereitet ist, ist es ein begrüßenswertes Unternehmen, das vor allem die Kommunen vorleben könnten, die sich zum „Sicherer Hafen“ erklärt haben: Geeigneten, möblierten Wohnraum finden, den Lebensunterhalt für die neuen Mitbürger für eine Weile überbrücken und eine präsente Integrationsberatung für die ersten Wochen zur Verfügung haben.

Denn afghanische Ortskräfte reisen mit Visum ein und haben Anspruch auf einen befristeten Aufenthaltstitel. Sie sind ähnlich wie die Kontingentflüchtlinge aus Griechenland keine Asylbewerber und werden deshalb auch nicht in Gemeinschaftsunterkünfte zugewiesen.

Sie können SGB II-Leistungen (Hartz IV) beim Jobcenter beantragen, wenn sie ihre Ausweise erhalten haben. Allerdings muss man derzeit aufgrund der Pandemie und anderer Faktoren mit etwas längeren Bearbeitungszeiten rechnen. Da ist es gut, wenn man vorher einen Plan hat, wie man diese Schwierigkeiten überwinden kann.      

 

Walter Stadelmann, Schwarzenbruck

 

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